Belieferung ortsnaher Dritter durch eine eigene Stromleitung

von Robert Ißler und Marinus Schnitzlbaumer

Warum sollte man auf diese Technik/Entwicklung umsteigen?

Während der 10-jährigen Förderungen nach dem Ausschreibungsmodell kann über den direkten Stromverkauf an einen nahegelegenen Betrieb ein Zusatzerlös erzielt werden (1). Hierzu ist eine eigene Stromleitung erforderlich.

Aufgrund vermiedener Netzentgelte und Stromsteuer kann dabei vertraglich ein Strompreis vereinbart werden, der für beide Seiten profitabel ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein kompetenter Direktvermarkter, der die erforderlichen rechtlichen Herausforderungen handhaben kann, die ein solches Geschäftsmodell (auch on-site PPA genannt) mit sich bringt. Mit ausreichenden rechtlichen Kenntnissen kann das Modell auch ohne einen Direktvermarkter erfolgreich sein. Des Weiteren muss ein Abnehmer gefunden werden, der sich bereit erklärt, einen möglichst langfristigen Vertrag einzugehen, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Für Biogasanlagen ist dieses Geschäftsmodell attraktiv, da diese im Gegensatz zu anderen Technologien der erneuerbaren Energien bedarfsgerecht produzieren und dem Abnehmer entsprechende Sicherheiten bieten können. Allerdings sind die Stromgestehungskosten höher. Daher ist eine gute Planung im Vorfeld notwendig, um das Geschäftsmodell auch wirtschaftlich betreiben zu können. Es sollte in jedem Fall gewährleistet sein, dass der Kunde über den direkt vermarkteten Strom hinaus Zugriff auf Strom aus dem öffentlichen Netz hat, um eventuelle Ausfälle abzusichern. Dies ist eine Aufgabe, die in der Regel der Direktvermarkter übernehmen kann.            

Ein Vorteil dieses Modells ist außerdem die Möglichkeit, dem Kunden sogenannte Herkunftsnachweise des produzierten Stromes zu übermitteln. Dieser kann damit werben, dass der Strom regional aus erneuerbaren Energien produziert wurde. Dies bedeutet für den Lieferanten in der Regel, dass er höhere Strompreise verlangen kann (2).

Stand der Entwicklung

In Deutschland sind Direktlieferungen von Strom zurzeit noch kein weit verbreitetes Modell, gewinnen aber mehr an Relevanz und werden insbesondere für post-EEG-Anlagen intensiv diskutiert. Nach der derzeitigen Rechtslage ist es grundsätzlich umsetzbar, die Entwicklungen bezüglich der netzbedingten Kosten sowie deren Vermeidung können sich allerdings zukünftig ändern. Das Potenzial von Photovoltaik und Wind wird laut einer Dena-Studie von potenziellen Stromnachfragern als höher eingestuft, für 20% der Befragten wird aber auch Biogas als relevante Technologie angesehen (3).

Rechtliche Situation

Grundsätzlich ist nach §21b Abs. 4 EEG 2021 trotz Vergütung nach dem Ausschreibungsmodell die Weitergabe von produziertem Strom an einen Dritten anteilig möglich, sofern dieser sich in unmittelbarer räumlicher Nähe befindet und der Strom nicht durch ein öffentliches Netz durchgeleitet wird, also eine eigens dafür gelegte Direktleitung genutzt wird. Es gilt also im Vorfeld zu klären, ob diese Voraussetzungen erfüllbar sind. Aufgrund des Eigenversorgungsverbotes bei Förderung nach dem Ausschreibungsmodell (§27a EEG 2011) muss sichergestellt sein, dass der Empfänger des Stroms nicht der Betreiber der Erzeugungsanlage selbst ist, da sonst der Vergütungsanspruch ersatzlos für das gesamte Kalenderjahr entfällt (vgl. §52 Abs. 1 EEG 2021). Über den Begriff der unmittelbaren räumlichen Nähe gibt es verschiedene Auffassungen. Solange die Möglichkeit besteht, eine Direktleitung zum Abnehmer zu legen, kann diese in der Regel als gegeben vorausgesetzt werden (4). Nach §12b Abs. 5 StromStV ist der Begriff „räumlicher Zusammenhang“ mit 4,5 Kilometern um die Erzeugungseinheit festgelegt.   

Rein rechtlich wird bei einer Stromlieferung durch eine private Leitung der Anlagenbetreiber zu einem Elektrizitätsversorgungunternehmen (EltVU) nach §3 Nr. 20 EEG 2021, zu einem Energieversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes und zu einem Versorger im Sinne des Stromsteuerrechts. Es empfiehlt sich, einen Direktvermarkter zu wählen, der die damit einhergehenden Pflichten erfüllen kann. Dabei ist zu beachten, dass eine der Pflichten eines EltVU darin besteht, für den gelieferten Strom die entsprechende EEG-Umlage an den Übertragungsnetzbetreiber abzuführen. Trotz der direkten Durchleitung ist diese also auf den Strompreis des Kunden aufzuschlagen. Andere typische Kosten, wie Netzentgelte, KWK-Umlage, Offshore- und StromNEV-Umlage können allerdings vermieden werden. Kreuzt die Leitung weiterhin keine öffentlichen Wege, muss in der Regel auch keine Konzessionsabgabe entrichtet werden. Für Anlagen, deren Nennleistung kleiner oder gleich 2 MW beträgt, ist außerdem eine Stromsteuerbefreiung nach §9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG vorgesehen. Zu beachten hierbei ist die Definition des Anlagenbegriffes. Wenn mehrere BHKWs in räumlicher Nähe zueinander stehen, die insgesamt über 2 MW installierte Leistung besitzen, kann laut Generalzolldirektion keine Steuerbefreiung geltend gemacht werden (vgl. 4).

Wird EE-Strom abseits der EEG-Förderung verkauft, fällt dieser laut Gesetz unter die sonstige Direktvermarktung und seine Grünstromeigenschaft bleibt erhalten. Die Grünstromeigenschaft wird durch die Ausgabe von Herkunftsnachweisen bzw. Regionalnachweisen bestätigt (vgl. §§79f EEG 2021). Diese Herkunftsnachweise werden auch als Grünstromzertifikate bezeichnet und können an Stromkunden weitergegeben werden (2). Damit kann nachgewiesen werden, dass der Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde, was aus Marketinggründen eine höhere Preisbereitschaft zur Folge hat (2).

Wirtschaftlichkeit

Die Belieferung ortsnaher Dritte empfiehlt sich nur als ergänzendes Geschäftsmodell. Die Grundfinanzierung des wirtschaftlichen Betriebes der Biogasanlage muss bspw. über eine EEG-Einspeisevergütung und die Wärmevermarktung erfolgen. Hierdurch werden die Fixkosten der Biogasanlage getragen und eine zusätzliche Stromerzeugung kann selbst dann noch wirtschaftlich sein, wenn der Anlagenbetreiber für diese Zusatzerzeugung nur maximal 12 ct/kWh erhält. Für den Stromabnehmer ergibt sich durch die weiteren Kosten der Direktversorgung ein Gesamtpreis von mindestens 20 Ct/kWh.

Inwiefern ein solches Modell wirtschaftlich sein kann, ist sehr stark von der Situation vor Ort abhängig. Es muss ein Abnehmer gefunden werden, der sich zu langfristigen Lieferverträgen bereit erklärt und durch seinen Standort das Kriterium des räumlichen Zusammenhangs erfüllt. Bezogen auf die preisliche Ausgestaltung ist eine Orientierung an den derzeitigen durchschnittlichen Industriestrompreisen hilfreich. Diese werden beispielsweise regelmäßig durch den Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft veröffentlicht (5). Es ist zu beachten, dass teilweise große regionale Unterschiede in den Strompreisen herrschen, weshalb auch hier die räumliche Lage für die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle spielt.

Für eine überschlägige Betrachtung werden die durchschnittlichen Preise aus dem Jahr 2021 mit den Kosten verglichen, die der Betreiber einer Biogasanlage für den zusätzlich produzierten Strom tragen muss. Als Berechnungsbeispiel dient eine Biogasanlage mit 500 kW Bemessungsleistung und 500 kW Zubau im Zuge der Flexibilisierung. Es wird angenommen, dass die Anlage innerhalb der 10-jährigen Folgeförderung kostendeckend betrieben werden kann. Die Berechnung der auftretenden Zusatzkosten für eine Direktlieferung an einen naheliegenden Betrieb sind nachfolgend dargestellt:

Tabelle 1: Zusatzkosten der Direktlieferung

Die Kosten summieren sich auf ca 18,70 ct/kWh. Werden noch 8 % für Gewinn und Risikopuffer aufgeschlagen, müsste der Strom für 20,19 ct/kWh verkauft werden. Dieser Preis übersteigt den durchschnittlichen Industriestrompreis von 2021 um ca. 6 %. Allerdings sind laut DIHK viele Unternehmen dazu bereit, für nachweißlich regionalen Grünstrom einen höheren Preis zu zahlen. Die akzeptierten Mehrkosten beziffern sich dabei auf etwa 2 bis 6 Prozent des derzeitigen Strompreises (6). Ist der Abnehmer im obigen Beispiel bereit rund 6 % mehr für die Grünstromeigenschaft zu bezahlen, wäre eine Direktversorgung mit einer Gewinnmarge von 8 % möglich. Der Kostenvergleich zwischen Industriestrom und Biogasstrom ohne Gewinnmarge und Risikopuffer ist in der folgenden Abbildung 2 grafisch dargestellt:

Gegenüberstellung Industriestrombestandteile und Kostenkomponenten Biogasanlage (eigene Darstellung)

Die Entwicklungen der EEG-Umlage und des Strompreises entscheiden letztlich darüber, ob das Modell zukünftig für die Biogasanlage gewinnbringend ist. Folgt die Politik bspw. den Vorschlägen der Wissenschaft, die EEG-Umlage zu senken und dafür die Stromsteuer zu erhöhen (7), profitieren beide Parteien von einem stromsteuerbefreiten Modell. Folgt der Industriestrompreis dem Anstiegstrend der letzten Jahre, werden in Zukunft die Zahlungsbereitschaft der Abnehmer und die Nachfrage nach Verträgen mit langfristig stabilen Preisen steigen. Tritt diese Entwicklung ein, so wird das Geschäftsmodell der Direktversorgung ortsnaher Betriebe deutlich an Attraktivität gewinnen.

Betriebliche Umsetzung

Eine große Herausforderung bei einem solchen Modell ist es, die Fahrpläne der BHKWs auf die verschiedenen Ziele abzustimmen. Einerseits muss stets gewährleistet sein, dass ausreichend Wärme für das Nahwärmenetz zur Verfügung steht. Zudem sollte die Stromeinspeisung in den Zeitfenstern erfolgen, in denen die Börsenstrompreise hoch sind, um somit Mehrerlöse durch die flexible Fahrweise zu erzielen. Zuletzt ist es wünschenswert, den direkt gelieferten Strom so genau wie möglich an das Lastprofil des Kunden anzupassen. Ein intelligentes Fahrplanmanagement ist also von Vorteil.     
Versorgungsunterbrechungen beispielsweise durch geplante Wartungsarbeiten müssen außerdem im Vorfeld mit dem Kunden abgesprochen werden. Bei unerwarteten Ausfällen müssen diese an den Abnehmer und Direktvermarkter gemeldet werden, was eine dauerhafte Überwachung des Anlagenbetriebes voraussetzt. Um das zu verhindern, sollten hohe Qualitätsstandards in Betrieb und Instandhaltung gesetzt werden (8).

Zum Weiterlesen

1. DBFZ, Fraunhofer IEE, vBVH. Leitfaden Flexibilisierung der Strombereitstellung von Biogasanlagen [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.dbfz.de/fileadmin//user_upload/Referenzen/Studien/20191108_LeitfadenFlex_Abschlussbericht.pdf

2. Uibeleisen, M.; Groneberg, S. Der wirtschaftliche Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen außerhalb des EEG-Förderrahmens – PPAs als Konkurrenz zum System staatlicher Fördergelder [online], 2018. Verfügbar unter: https://www.degruyter.com/view/journals/rde/18/3/article-p114.xml

3. Deutsche Energie-Agentur (DENA). Corporate Green PPAs. Umfrage zu Perspektiven nachfragegetriebener Stromlieferverträge bis 2030 [online], 2019. Verfügbar unter: https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2019/dena-MARKTMONITOR_2030_Corporate_Green_PPAs.PDF

4. Bundesverband WindEnergie (BWE) (Hrsg.). Eigenversorgung, Direktlieferung, Power-to-X und Regelenergie – 2017 sonstige Erlösoptionen außerhalb des EEG [online], 2017. Verfügbar unter:
https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oeffentlich/themen/03-sektorenkopplung/20180115-erloesoptionen-ausserhalb-des-eeg.pdf

5. BDEW Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW). BDEW-Strompreisanalyse Januar 2020 [online], 2020. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/media/documents/20200107_BDEW-Strompreisanalyse_Januar_2020.pdf

6. Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). IHK-Energiewende-Barometer 2018 [online], 2018. Verfügbar unter: https://www.dihk.de/resource/blob/3226/ad4e27bab2ed26ae511048f017daebca/energiewende-barometer-2018-data.pdf

7. Deutsche Energie-Agentur (Dena) (Hrsg.). Vorschlag für die Senkung der EEG-Umlage auf null. Ein Impuls für die Beschleunigung der Energiewende [online], 2020. Verfügbar unter: https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2020/KURZSTUDIE_Vorschlag_fuer_die_Senkung_der_EEG-Umlage_auf_null.pdf

8. Held, J; Koch, K. PPA für Erneuerbare Energien und KWK. Typologische Einordnung und rechtliche Rahmenbedingungen marktfähiger Energieerzeugungsanlagen, 2019. In: EnergieRecht 1 2019, S.18-25. 2019.